Hamza Qabbani
26/01/2023

Mit Shish-Tawouk und Falafel: Wahlkampf auf der Sonnenallee in Berlin

 

Es ist Wahlkampf in Berlin und es wird mit allen Mitteln um Stimmen gekämpft: Auch mit Chicken-Sandwich, Shawarma und Falafel. Als Reaktion auf die Ausschreitungen in der Sonnenallee zu Sylvester haben sich nun mehrere Geschäftsleute aus der Sonnenallee zusammengetan und bieten ein „Heldenmenü“ für Feuerwehr- und Rettungswagenmannschaften und Polizisten an. Wer in Uniform eines der vier Schnellrestaurants kommt, bekommt ein Menü zum symbolischen Preis von einem Euro.

Den Betreibern geht es nach eigenen Aussagen darum, dem Bild des Chaos und der Gewalt das der Gastfreundschaft und Dankbarkeit entgegenzusetzen. Die Sonnenallee sei den Einsatzkräften dankbar, dass sie für Ordnung und Sicherheit sorgten.

Unser Reporter Hamza Qabbani ist ebenfalls zum Essen in die Sonnenallee gegangen und hat interessante Szenen beobachtet. So traf er auf viele Eisatzkräfte, die nach einigen Überredungskünsten auch bereit waren, vor seiner Kamera zu posieren. Er traf auch auf mehrerer Politiker:innen. Nachdem am Montag bereits die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey zum „Heldenmenü“ in die Sonnenallee kam, gaben sich am Dienstag und Mittwoch die anderen Parteien die Klinken in die Hand. „Man merkt deutlich, dass jetzt viel mehr Syrer:innen Staatsbürgerschaft bekommen haben: Wir werden als Wähler ernst genommen“, so einer der syrischen Kunden, die sich das Spektakel anschauten.

Allerdings geht es bei der Heldenmenü-Aktion auch noch um Stimmungsmache der etwas anderen Art: Manche der beteiligten Restaurants sind nämlich auch bei den arabischen Bewohner:innen der Sonnenallee eher unbeliebt. Sie werden mit Misstrauen beäugt, weil ihre Besitzer als Clan-nah gelten oder zu wenig Distanz zum Unterstützerumfeld des syrischen Regimes zeigten. So saßen einige der einschlägig bekannten Persönlichkeiten beim Heldenschmaus mit Neuköllner Lokalpolitikern am Tisch. Hier geht es zum Artikel von Hamza Qabbani.

Berichte aus der Sonnenallee

Die Silvesternacht in Berlin hält nicht nur die deutsche Politik und die Medien im Atem: Sie ist natürlich auch bei unseren arabischen Leser:innen Thema. Wir hatten in den letzten Wochen gleich mehrere Kommentare und Berichte dazu. Ganz besonders hervorheben wollen wir den Bericht von Kholoud Fakhra. Sie war im vergangenen Jahr bei uns Praktikantin und schreibt seitdem regelmäßig als freie Mitarbeiterin für uns. Als Journalistin, Mutter mehrerer Teenager und Bewohnerin der Sonnenallee ist sie natürlich eine besonders kompetente, weil allseitig informierte Beobachterin der Ereignisse. So geht es in ihrem Artikel sowohl um die Haltung syrischer und afghanischer Anwohner:innen, die genervt und verängstigt auf die Randale reagieren und sich Sorgen machen, dass diese Art der negativen Berichterstattung zu noch mehr Rassismus und schlechter Stimmung gegen Neuangekommene führen wird. Es geht aber auch um den Zorn auf Politik und Medien, die die Ereignisse zur Stimmungsmache missbrauchen. Hier ein Auszug aus ihrem Artikel:

…Ich traf meinen afghanischen Nachbarn im Treppenhaus. Wir kamen ins Gespräch und er sagte: „Es gibt viel Kritik daran, dass die Regierung nicht fair mit Migranten umgeht und dass die Integrationspolitik zu schwach ist. Ich teile diese Meinung. Die Menschen sind frustriert und der Frust entlädt sich. Ich will nicht rechtfertigen, was die Jugendlichen gemacht haben. Ich finde die Zerstörung schlimm und gefährlich für uns alle. Ich hoffe, dass die Polizei hart, aber fair gegen die Straftäter vorgeht“, sagte er.  „Allerdings“, fügt er dann hinzu: „Ist es heikel, denn das Vorgehen der Polizei, wenn es nicht fair ist, kann auch die Spannung verschärfen“. Kurz darauf traf ich meine syrische Nachbarin. Auch für sie waren die Unruhen ein wichtiges Thema: „Ich bin seit sieben Jahren in Deutschland und immer waren die heftigen Sylvester Ausschreitungen Thema. Allerdings feiern ja auch die rechten Jugendlichen und zum Teil ist das auch gewalttätig. Ich frage mich, warum davon in den Medien nicht mehr berichtet wird und der Fokus immer nur auf den arabischen Jugendlichen liegt“… 

Wenn Sie Interesse haben, diesen oder einen anderen Beitrag in Ihrer Zeitung zu veröffentlichen, schreiben Sie uns. Wir übersetzen gerne unsere Artikel oder schreiben einen Kommentar oder eine Betrachtung passend zu ihrem Medium. Die Debatte um die Silvesternacht beschäftigt und uns unsere Leser:innen sehr und wird würden gerne unsere Sichtweise mit Ihnen teilen.

Bilder:Hamza Qabbani

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