Bild: Die Krabbelstubb

Ich vermisse alles…

„Ich vermisse alles“, sagt sie leise. „Meine Arbeit, meine Freunde, meine Sicherheit …“. Die Frau, die hier spricht, heißt nicht Amira. Sie hat einen anderen Namen, den wir hier nicht schreiben wollen, um sie nicht zu gefährden und damit wir ihre Geschichte veröffentlichen können, so wie es wirklich war.

Amira ist eine von denen, um die es derzeit in der Migrationsdebatte geht. Eine von den Geflüchteten, die abgeschoben werden können. Sie ist ein sogenannter Dublin-Fall. Das bedeutet, dass sie in einem anderen EU-Land registriert wurde, bevor sie nach Deutschland kam. In ihrem Fall war es Litauen und dorthin wurde sie im Mai abgeschoben. Dort erreiche ich sie am Telefon. Die meisten Geschichten über Abschiebung enden mit der Abschiebung. Unsere beginnt da. Wir wollen wissen, wie es Amira geht, nachdem sie Deutschland verlassen musste. Das ist Amiras Geschichte:

Es ist fast halb sechs an einem Morgen Ende Mai 2025. Die Nacht ist noch nicht vorbei, als es plötzlich laut an der Tür klopft.

Amira öffnet – vor ihr stehen sieben oder acht Polizist:innen.

„Ich brachte kein Wort heraus, mein Herz raste, und meine Hände zitterten. Ich stand da wie erstarrt, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen“, erzählt sie am Telefon.

Einer der Beamten sagt: „Wir haben einen Abschiebebescheid. Du musst Deutschland verlassen. Pack sofort deine Kleidung und die nötigsten Sachen.“

„Ich arbeite hier, ich will das Land nicht verlassen“, flüstert Amira – aber es hilft nichts.

 

Von Kabul nach Europa

Amira stammt aus Kabul. Sie hat Pädagogik studiert und bei internationalen Organisationen wie UNICEF gearbeitet. Nach der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 floh sie zunächst nach Litauen und kam dann nach Deutschland.

Hier baute sie sich ein neues Leben auf: Sie arbeitete in einer Kita in Offenbach am Main, lernte Deutsch, absolvierte Weiterbildungen und engagierte sich ehrenamtlich – etwa bei Umweltaktionen.

Am Tag der Abschiebung schickte sie sofort Sprachnachrichten an ihre Kolleg:innen:

„Die Polizei ist hier. Ich muss jetzt Deutschland verlassen.“

„Als wir die Nachricht erhielten, waren wir alle schockiert, insbesondere ihre direkten Kolleg:innen“, sagt Bastian Klinzing, Geschäftsführer der „Krabbelstubb“, bei der Amira arbeitete. „Auch viele Eltern meldeten sich fassungslos und fragten: „Warum?“

Für Amiras Team bedeutet die Abschiebung, dass sie ihre Kollegin dauerhaft vertreten müssen, was eigentlich nicht möglich ist. Zumal es in ganz Offenbach zu wenig Erzieherinnen gibt.

Die Abschiebung von Amira war nicht nur ein emotionaler, sondern auch ein finanzieller Verlust: Der Staat hatte in ihre Integration investiert – Sprachkurse und Praktika. Alles ist umsonst gewesen, Amira verlor Job, Freundeskreis und Sicherheit.

Amira ist jetzt in Litauen und ist telefonisch zu erreichen: „Ich vermisse alles“, sagt sie leise. „Meine Arbeit, meine Freunde, meine Sicherheit, es fühlt sich an, als hätte ich alles verloren und das macht mich noch trauriger.“

 

Für mich war das Leben in Deutschland mit seinen Chancen ein großer Fortschritt

„Ich komme aus einem Land, in dem es ein Wunder ist, als Mädchen oder Frau die eigenen Träume zu verwirklichen.“ Doch zurück nach Deutschland kann sie nicht. Während der Abschiebung bekam sie ein Dokumente ausgehändigt, das ihr für 30 Monate die Rückkehr nach Deutschland verbietet – auch als Besucherin.

Diese Einreise- und Aufenthaltsverbote sind laut §11 Aufenthaltsgesetz vorgesehen – doch sie können verkürzt werden, wenn individuelle Gründe wie ein Arbeitsplatzangebot vorliegen, sagt Therese Čuljak, Teamleiterin der Beratung bei Pro Asyl, die Amira nach ihrer Abschiebung unterstützt.

Die Kolleg:innen und die Eltern in der Kita in Offenbach wurden ebenfalls gleich aktiv. Sie starteten eine Online-Petition für Amiras Rückkehr und haben bereits mehr als 5.0000 Unterschriften gesammelt. Auch die Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek (Die Linke) sprach im Parlament über den Fall. Ein Video ihrer Rede wurde auf dem Instagram-Kanal der Kita geteilt.

Eines von Amiras freiwilligen Engagements war ihr Einsatz bei einer Umweltinitiative.

„Amira war ein fester Teil unseres Teams“, sagt Julia Weitzel, Umweltaktivistin: „Sie nannte diesen Ort ihr neues Zuhause. Ihre Freundlichkeit hinterlässt nun eine große Lücke.“

Julia Weitzel kritisiert, dass das System oft nur Zahlen sieht und nicht die Menschen dahinter. Sie fordert mehr Menschlichkeit in politischen Entscheidungen: Auch sie hofft, dass Amira bald zurückkehren kann.

 

Inzwischen haben viele Medien auch über den Fall berichtet:

 

 

Amal, Berlin!
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