21/11/2022

Amal und die WM in Qatar

alle reden gerade über die WM in Qatar. Wir auch! Die Frage, Boykott oder nicht spaltet Deutschland. Auch durch die Amal-Redaktion läuft ein Graben. Allerdings verlaufen die Trennlinien bei uns ein bisschen anders und die Lager der Befürworter und Gegner folgen Argumenten, die sich deutlich vom Bundesdurchschnitt unterscheiden. Hier ein Überblick:

Position 1: Der Boykott ist rassistisch!

Qatar ist nicht super. Im Gegenteil: Die regionale Politik des Emirates ist problematisch. Die aktuelle Boykottkampagne ist jedoch unfair und spiegelt den anti-arabischen und anti-islamischen Rassismus des Westens! Bei der WM in Russland wurde längst nicht so viel über Menschenrechte gesprochen, dabei war Russland an den Angriffen auf die Zivilbevölkerung in Syrien beteiligt.

Bonusargument: Die WM in Qatar wird von vielen in der Region als arabische WM verstanden. Nicht Qatar ist Gastgeber, die arabische Welt ist Gastgeber. Qatar ist eines der wenigen arabischen Länder, die so ein Event ausrichten können. Wer hätte es sonst machen sollen? Saudi Arabien? Ägypten? Syrien? Der Boykott macht die Stimmung kaputt. Dabei wäre es doch schön, einmal ein positives Event in diesem Teil der Welt zu haben.

Fazit: Um dem anti-arabischen und anti-islamischen Rassismus etwas entgegenzusetzen, sollte man dieses Mal besonders viel Fußball-WM gucken. 

Hier geht es zu einem Bericht zur WM-Stimmung auf der Berliner Sonnenallee. Der Text von Kholoud Fakhra ist auf Arabisch erschienen. (Wenn Sie Interesse haben, den Text zu übernehmen oder gerne einen Kommentar haben möchten, schreiben Sie uns!)

Besonders empfehlen wollen wir auch diese Umfrage von Anas Khabir zum Thema Boykott.

Video von Anas Khabir mit deutschen Untertiteln

Position 2: Iran darf nicht mitspielen dürfen!

Der Boykott ist richtig und unbedingt notwendig, allerdings nicht wegen der Rechte der Bauarbeiter. Es geht um den Iran. Die Islamische Republik darf in dieser Situation auf gar keinen Fall die Bühne bekommen. Das Regime wird das Fußballevent ausnutzen, um das Volk von den Protesten abzulenken. Die Macht des Fußballs in der Politik der Region ist ja bekannt.

Fazit: Aus Solidarität mit der revolutionären Bewegung im Iran sollte auch Amal nicht über die WM berichten.  

Hier geht es zu ein Bericht vom Protestcamp der iranischen Feminist:innen in Berlin. Dort trotzen die Frauen der Angst. Bereits mehrfach wurde das Camp mit Messerattacken angegriffen. 

Video von Maryam Mardani

Position 3: Die Boykotthaltung des Westens ist geprägt von Doppelmoral

Wenn es darum geht, Gas und Öl zu importieren oder darum, die Versäumnisse der Bundesregierung  auszugleichen und Ortskräfte aus Afghanistan zu evakuieren, ist Qatar gut genug. Wenn es um den Triumph geht, dass dort eine WM stattfindet, werden moralische Standards herausgeholt, an die sich viele europäische Länder selbst nicht halten. (Stichwort Frontex etc.) Auch sollte mehr Respekt vor der Leistung Qatars gezeigt werden, Reformen einzuführen. Zwar wurde das Recht auf Druck reformiert, aber in welchem anderen Golfstaat wurde das berüchtigte Kafala-System abgeschafft? Geht es den Arbeitern in den VAE wirklich besser?

Fazit: Es ist voll Okay, Fußball zu gucken. 

Position 5: Qatar ist Schuld!

Wieso ist der arabische Frühling so gescheitert? Wer hat die islamistischen Extremisten in der ganzen Region gepäppelt und finanziert? Wer hat die Taliban gefördert? Manche Vertreter:innen dieser Position gehen so weit, dass die Taliban erst durch Qatar überhaupt entstanden sind. Nach dem Motto: “Erst hat Qatar die Taliban gekauft. Jetzt kaufen sie die WM”.

Fazit: Die meisten (männlichen) Vertreter:innen dieser Fraktion würden trotzdem WM gucken. Schließlich gilt es Fußball und Politik zu trennen.

Position 4: Alles eh korrupt

Das ganze FIFA-System ist korrupt und die Regierung in Qatar und um Qatar drum herum auch nicht besser. Unterhaltsam sind dafür die Diskussionen auf Social Media. Da geht es zum Beispiel darum, wie sich die Bezahlschranken der TV-Sender umgehen lassen, die die Fußball WM auf Arabisch übertragen.

Fazit: Amal sollte möglichst viel über die WM berichten. Auf Arabisch, Dari/Farsi und Ukrainisch und vor allem gratis.

…apropos gratis: Damit Amal auch gratis bleibt, haben wir noch eine Empfehlung. Hier geht es zum Amal-Club. Wir freuen uns über Ihre Unterstützung.

Bilder von epd-bild/Doerthe Boxberg, Anas Khabir, Maryam Mardani

Amal, Berlin! berichtet auf Arabisch, Farsi/Dari und Ukrainisch über alles, was in Berlin wichtig ist. Gerne übersetzen wir einzelne Artikel auch ins Deutsche und stellen sie Redaktionen gegen Honorar zur Verfügung.
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