kennen Sie die beiden auf unserem Titelbild? Das sind Amloud Alamir und Anas Khabir. Sie gehören zum Amal-Team und berichteten vergangene Woche vom Urteil gegen den ehemaligen syrischen Geheimdienstmitarbeiter Anwar R. in Koblenz. Heute sind sie bei Gericht in Frankfurt/Main, wo der nächste spektakuläre Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien beginnt. Auch der Arzt Alaa M. ist angeklagt, Verbrechen gegen Häftlinge in syrischen Gefängnissen begangen zu haben. Sein Fall ist besonders aufsehenerregend, weil er es geschafft hat, nach einer Flucht nach Deutschland unbehelligt in einer hessischen Klinik zu praktizieren, bis er von einem seiner Opfer erkannt wurde.
Wir sind da! – Selfie vor dem OLG Frankfurt
Die Prozesse sind ein Novum. Ausländische Staatsbürger, die Verbrechen gegen andere Ausländer im Ausland begangen haben, werden in Deutschland vor Gericht gestellt. In den vergangenen Tagen ist viel über dieses Weltrechtsprinzip berichtet worden und wir wollen die Debatte hier nicht wiederholen, sondern nur zwei Aspekte aus unserer Amal-Sicht ergänzen.
Setzt das Urteil ein falsches Signal?
Natürlich hat das Urteil von Koblenz auch bei uns zu heftigen Diskussionen geführt: Ist es nicht ein schlechtes Signal, dass mit Anwar R. ein Mann hart bestraft wird, der sich schon vor Jahren vom syrischen Regime abgewandt hat? Führt dies nicht dazu, dass andere Anhänger des syrischen Regimes Baschar al Assad weiter treu bleiben? Oder ist es vielmehr so, dass sich der Angeklagte zu einem Zeitpunkt vom Regime abgewandt hat, als dieses am Ende schien. Seine Situation ist damit eine ganz andere als die von Regimeanhängern, die jetzt mit dem Gedanken spielen, die Seiten zu wechseln. „Verbrechen ist Verbrechen. Das ändert sich auch nicht, weil man die politischen Seiten wechselt“, so die syrische Menschenrechtlerin Jumana Seif.
Wurde er nur verurteilt, weil er Sunnit ist?
In der anderen großen Debatte, die unter Amal-Leser*innen entbrannt ist, geht es um den Vorwurf, dass Anwar R. nur deswegen so hart bestraft wurde, weil er ein Sunnit ist. Der Vorwurf steht im Raum, dass die internationale Gemeinschaft und eben auch deutsche Gerichte die Sunnitenfeindlichkeit des syrischen Regimes reproduzieren. Dem kann man natürlich nur widersprechen, so wie es auch viele Menschenrechtler*innen aus Syrien tun. Aus ihrer Sicht ist es ein Zufall, dass in diesem Fall in Koblenz ein Sunnit verurteilt wurde und sie verweisen auf den neuen Prozess in Frankfurt, der sich ja nicht gegen einen Sunniten richtet. Auch geben sie zu bedenken, dass mit dieser Diskussion über die Zugehörigkeit des Angeklagten vor allem einem gedient ist: Dem syrischen Regime. Statt über die Verbrechen und über das spektakuläre Urteil werde nur noch über die Konfession des Angeklagten gesprochen. Das klingt doch sehr nach Damaskus-Sprech. Hier geht es zum Video von Amloud Alamir und Anas Khabir mit deutschen Untertiteln. Darin kommt der Menschenrechtler Mazen Darwish zu Wort. Er sagt einen klugen Satz: „In diesen Prozess(en) geht es aber um viel mehr als um den einzelnen Angeklagten. Es geht um mehr als ein Urteil lebenslänglich. Es wird zum ersten Mal amtlich festgestellt, was in Syrien passiert. Darauf können wir aufbauen“.
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