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26/10/2023

Amals Weg

Es sind – vorsichtig gesagt – sehr komplizierte Zeiten für eine Redaktion wie Amal. Zwar sind wir eine Lokalredaktion, das heißt, wir berichten weder über den Angriff der Hamas noch über die Militärschläge der israelischen Armee. Unsere Aufgabe ist es auch nicht, über das Erdbeben in Afghanistan zu berichten. Wir berichten nur über das, was in Berlin, Hamburg und Frankfurt wichtig ist.

Allerdings spielt da im Moment der Konflikt in Nahost eine alles überwältigende Rolle. Das gilt für die deutsche Politik, die Gesellschaft und im besonderen Maße auch für unsere Leser:innen. Die Serie von Erdbeben in Afghanistan spielt hingegen nur eine sehr kleine Rolle. Auch das ist ein Problem.

Was kann man sagen?  Welche Art von Protest ist erlaubt?

Viele arabische Leser:innen sind entsetzt und empört – über die Strategie der Hamas und über die Art, wie leider immer noch häufig die Zivilbevölkerung von Gaza mit der Hamas gleichgesetzt wird. Trauer und Entsetzen auch über die Bilder, die uns aus Gaza erreichen.

Zugleich macht sich Angst breit, denn viele Menschen arabischer Herkunft sind sich unsicher: Was kann man im Moment in Deutschland überhaupt noch sagen? Wo verläuft die Rote Linie zwischen dem, was Ausdruck von Mitgefühl und Empörung über die Situation ist und  verbotener Hetze gegen Juden und gegen Israel?

Wir wissen von unseren Leser:innen, dass dies ernstgemeinte. besorgte Fragen sind und sehen es als unsere Aufgabe, hier Antworten zu liefern.  So fragten wir den Bürgermeister von Neukölln Martin Hikel und er gab uns diese Antworten im Interview:

Video Amloud Alamir und Dawod Adil Das gleiche Interview mit persischen Untertiteln.

Passt auf, was ihr postet und liked!

Ebenfalls zum Thema: Interview mit der Sozialwissenschaftlerin Dr. Sonja Hegasy mit Erklärungen und Hintergründen rund um die besondere Beziehung Deutschlands zu Israel einerseits und zum wachsenden anti-islamischen Rassismus andererseits, der sich auch gerade jetzt bemerkbar mache. Auf Social Media, so ihr Rat, solle man sich genau überlegen, was man poste und welchen Tonfall man dabei einschlage: “Polemische und ironische Kommentare oder Bilder werden viel zu oft falsch verstanden. Die sollte man sich verkneifen”, sagt sie.

Angebracht sei vielmehr durch Fakten und Berichte beispielsweise darüber, wie es den Menschen derzeit in Gaza gehe, zur Versachlichung der Debatte beizutragen. “Es ist auch wichtig zu sagen, dass man nicht zur Hamas gehört. Viele Deutsche  kennen sich nicht so gut aus und für sie gilt oft immer noch die Gleichung Gaza = Hamas und Hamas = Gaza. Dass es dort viele Menschen gibt, die nicht einverstanden sind mit der Hamas, das weiß in Deutschland nicht jeder. Das muss man immer wieder sagen”, so Sonja Hegasy. Das ganze Interview gibt es hier.

Sonja
Video Anas Khabir

Vergesst nicht Afghanistan

Dies ist der Titel eines Kommentars, den Noorullah Rahmani für die Tageszeitung geschrieben hat. Die Tage zuvor hat er weitgehend am Telefon verbracht. Er sprach mit Freunden und Verwandten, die in der Umgebung von Herat von dem zweiten Erdbeben in nur einer Woche getroffen wurden. 13 Dörfer wurden zerstört, viele Familien übernachten im Freien und sind von aller Hilfe abgeschnitten. Er sprach aber auch mit Afghan:innen hier in Deutschland, die ebenso verzweifelt sind wie er, dass es nur so wenig internationale Hilfe für die Erdbebenopfer gibt. Gemeinsam starteten sie eine private Hilfsaktion.

Helfen hilft auch den Helfenden

Nach diesem Motto hat die Dari/Farsi-Redaktion in den letzten Tagen mit anderen Initiativen gesprochen, die den Erdbebenopfern in Afghanistan helfen. Hier geht es zum Interview.

Warum verlässt uns Olena?

Vielleicht haben Sie sich über unser Titelbild gewundert? Wieso zeigt es Olena Iskorostenska und was hält sie da in der Hand? Sie kennen sie als Redakteurin von Amal in Frankfurt und weil sie schon mehrfach auf Fotos in diesem Newsletter zu sehen war. Gerade erst vergangene Woche stand sie in der ersten Reihe, als Amal in Frankfurt den Hessischen Integrationspreis verliehen bekam. Nun verlässt uns Olena Iskorostenska. Die 49jährige zieht nach Kanada, um dort mit ihrer Familie zusammen zu sein. Zum Abschied schenkten ihre Kolleginnen Ihr einen paramilitärischen Kaktus. (Er wurde vorsichtshalber deutlich mit ukrainischen Fahnen markiert. In diesen Zeiten kann es ja leicht zu Missverständnissen kommen. Siehe oben.)

Auch widmete Sona Sahar dem Abschied von der Kollegin einen Artikel, in dem sie beschreibt, wer Olena ist und wie sie zusammengearbeitet haben. Sie hebt hervor, dass Olena Iskorostenska viel über besondere Orte und Feste in Frankfurt und Umgebung berichtet hat. Zuletzt hat sich auch ein interessantes Interview mit einem evangelischen Pfarrer geführt, der in den heißen Tagen des Aufstands auf dem Maidan in Kiew versuchte, die friedliche Revolution zu unterstützen. Das alles ist interessant, aber wieso schreibt Sona Sahar darüber für die afghanischen und iranischen Leser:innen?

Amals Weg

“Im Allgemeinen ist das Verhältnis unter zugewanderten Familien in Deutschland nicht gut. Es gibt Vorurteile und Neid. Da ist es umso wichtiger, sich kennenzulernen und dies zu überwinden”, schreibt Sona Sahar. Ebenso wie die Beispiele zum Umgang den Auswirkungen vom Nahostkonflikt und von der Tragödie in Afghanistan auf das Leben in Deutschland, ist auch dieser ganz besondere Artikel ein Beispiel für “Amals Weg”. Das Porträt der ukrainischen Kollegin auf der persischsprachigen Seite eröffnet den Leser:innen eine neue Perspektive und ist zugleich Ausdruck von echter Freundschaft. Tschüss Olena!

Hier geht es zum Artikel auf Farsi.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und eine schöne Woche!