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Vorm Terror geflohen und von ihm eingeholt

Zunächst möchte ich den Familien der Opfer mein Beileid aussprechen und den Verletzten eine schnelle Genesung wünschen. Ich habe mit vielen syrischen Geflüchteten gesprochen, die der Diktatur und dem Terror entkommen sind. Wir alle waren zutiefst schockiert über die Nachricht vom Messerangriff auf das Festival der Vielfalt in Solingen. Die Angriffe richteten sich nicht nur gegen die Opfer, sondern fühlten sich wie Stiche in unsere eigenen Herzen an.

Wir sind vorm Terror geflohen und sehen uns nun vom Terror an einem Ort verfolgt, an dem wir uns in Sicherheit wähnten. Ich habe geweint, als ich las, was die neunjährige Emilia auf ein Plakat in Solingen geschrieben hat: „Wir haben dich beschützt! Wir haben dir geholfen! Warum tötest du uns?!“

Was in Solingen passiert ist, darf sich weder in Deutschland noch irgendwo anders auf der Welt wiederholen. Es war ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen die Vielfalt und das friedliche Zusammenleben, das wir alle anstreben.

Die politischen Entscheidungsträger müssen klug und besonnen mit den Konsequenzen dieses Ereignisses umgehen. Sie dürfen nicht der Propaganda der rechtsextremen Strömungen verfallen, die alle Muslime und Syrer unter Generalverdacht stellen.

Gleichzeitig müssen strenge Maßnahmen gegen Kriminelle oder diejenigen ergriffen werden, die daran denken, die Gesetze und das friedliche Zusammenleben in diesem Land zu gefährden. Wenn man sagt, Abschiebungen seien die Lösung, ist es oft ungerecht gegenüber vielen, die ein Bleiberecht und Asyl verdienen. Diktatorische Regime könnten dies als Vorwand nutzen, um Beziehungen zu europäischen Staaten aufzubauen und damit ihre eigene Verantwortung für die Lage in den Heimatländern der Geflüchteten zu verschleiern.

Alle Geflüchteten als Terroristen zu stigmatisieren, tut Millionen Menschen Unrecht

Wir alle sind für die Abschiebung von Kriminellen und gegen den Terrorismus. Aber das ändert nichts daran, dass wir unsere Entscheidungen auf der Grundlage der in den Menschenrechtsabkommen und internationalen Gesetzen festgelegten Prinzipien treffen müssen. Diese zu akzeptieren, macht demokratische Länder aus. Unsere Entscheidungen dürfen nicht aus reiner Reaktion heraus getroffen werden. Extremistische Parteien, die auf Ablehnung von Vielfalt und friedlichem Zusammenleben setzen, nutzen diese Ereignisse aus.

Dieser Kommentar ist für die Zeitschrift Chrismon entstanden und wurde dort veröffentlicht.