17/12/2023

Muslimischer Philosoph zum Thema Antisemitismus

Muhammad Sameer Murtaza ist ein bekannter muslimischer Vordenker und Philosoph. Vor allem aber ist er Spezialist für das Brückenbauen zwischen den Kulturen. Er hat sich intensiv mit dem Islam und der islamischen Geistesgeschichte beschäftigt und sich zudem sehr ausführlich mit europäischer Philosophie auseinandergesetzt. So verglich er in seiner Promotion Ideen Friedrich Nietzsches mit denen des islamischen Philosophen Muhamad Iqbal. Als erster Muslim ist er als Islamwissenschaftler bei der Stiftung Weltethos tätig.

Was Muhammad Sameer Murtaza besonders auszeichnet: Er hat sich trotz all dem nicht in den Elfenbeinturm zurückgezogen, sondern sucht den Kontakt zur Community. Lange reiste er von Gemeinde zu Gemeinde. Er hält Vorträge, spricht mit muslimischen Jugendlichen über ihre Ideen und mit den Gemeindeältesten über ihre Sorgen.

Er hat sich intensiv auch mit dem Dialog der Kulturen und der Beziehung zwischen Islam und Judentum beschäftigt. Gerade jetzt ist er ein gefragter Gesprächspartner und wir freuen uns, dass er bereit war, mit Amal-Reporterin Souzan Nassri über die Auswirkungen des Krieges in Gaza auf Muslim:innen in Deutschland zu sprechen. Dabei wird ganz klar: Muhammad Sameer Murtaza weiß, wovon er spricht, da er sich schon an vielen Veranstaltungen mit jüdischen Intellektuellen beteiligt hat. Klar ist auch: Er redet dem muslimischen Mainstream nicht nach dem Mund – und auch nicht dem der Mehrheitsgesellschaft.

Hier geht es zum Video auf Deutsch mit arabischen Untertiteln.

Muslimischer Philosoph zum Thema Antisemitismus

Video von Souzan Nassri und Ronnie Darwish

Kann man als Logopädin in Deutschland arbeiten, wenn man kein Deutsch kann?

Der nächste Beitrag, den wir Ihnen in dieser Woche ans Herz legen wollen, ist mindestens ebenso besonders und außergewöhnlich. Unsere neue Kollegin in Frankfurt Viktoriia Chernykova-Berezdetska stellt Yulia Lagoscha aus Charkiw vor. Genau wie Hunderttausende andere Frauen kam sie im Frühjahr 2022 mit ihrer Teenager-Tochter nach Deutschland kam. Wie die meisten kam sie ohne Plan und hatte wenig Hoffnung, einen Job zu finden. Kein Wunder! Sie ist Logopädin. Wer würde sie überhaupt einstellen? Wie sollte sie Sprechprobleme behandeln, wenn sie mit den Patient:innen nicht sprechen kann?

Noch während sie diese Fragen wälzte, geschah ein Wunder: Sie fand einen Job und begann zu arbeiten. Schließlich gibt es viele Beschwerden, wie zum Beispiel Schluckprobleme, die auch mit wenig Deutschkenntnissen behandelt werden können und zudem hat ihr der Berufseinstieg einen ordentlichen Kick gegeben, schnell Deutsch zu lernen. Inzwischen hat sie die Probezeit geschafft und hat viele zufriedene Patienten. Jetzt macht ihr nur noch das deutsche „R“ zu schaffen: „Ich weiß theoretisch, wie es im Mund gebildet wird und ich kann Menschen, die es nicht aussprechen können, es beibringen. Ich kann es aber selbst nicht sagen. Für uns Ukrainerinnen ist es sehr schwer!“, sagt Yulia Lagoscha. Hier geht es zum Beitrag auf Ukrainisch.

Angesichts des Grauens: wieso sollen wir die Menschenrechtserklärung feiern?

Am 10. Dezember 1948 wurde die Erklärung der Menschenrechte verabschiedet und eigentlich ist der 10. Dezember bei Amal immer ein festes Datum: Wir schreiben Artikel, reflektieren über die Lage der Menschenrechte und mahnen an. Für unsere Leser:innen – viele von ihnen sind vor Unterdrückung und Willkürherrschaft geflohen – ist das Versprechen, dass die Würde aller Menschen gleich und unantastbar ist, ein kostbarer Schatz. Aber gilt das noch 2023? Angesichts des Grauens des Krieges in Nahost, angesichts des zweiten Kriegswinters in der Ukraine und angesichts der wachsenden Angst vieler Afghan:innen vor dem langen Arm der Taliban in Europa?

Unsere Autorin Maryam Mardani kommt in ihrem Kommentar zu diesem Thema zu dem Schluss: Doch, auf jeden Fall. Jetzt erst recht! Sie nimmt ein Mädchen im Iran als Ausgangspunkt, das in den Zwängen der Traditionen und des strengen politischen Systems aufwächst. Was sie in ihren Rechten einschränkt, sind nicht nur die rigiden Gesetze der Religion und vor allem des iranischen Regimes: Es sind auch die verinnerlichten Werte, nach denen ihre Familie handelt und vor allem die Tatsache, dass sie gar nicht weiß, was ihre Rechte sind.

Für Mädchen wie sie sei es wichtig an die Erklärung der Menschenrechte zu erinnern. Für sie (und für alle anderen Menschen) ist es deswegen auch wichtig, dass Narges Mohammadi den Friedensnobelpreis bekommen hat. Auch, wenn sie ihn nicht feierlich entgegennehmen konnte. Hier geht es zum Artikel auf Farsi.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen und eine schöne Woche!

Viele Grüße vom Amal-Team
Fotos: Ronnie Darwish, Privat